Anzio: Hafentag des Grauens

Selten haben wir so einen ereignisreichen Hafentag erlebt wie heute in Anzio. Leider eher weniger im positiven Sinne.

Aufgrund des kräftigen Südostwindes der genau in den Hafen bläst, ist unser Liegeplatz sehr unruhig. Starker Schwell steht wie im Hafenhandbuch angekündigt im Hafen und wir liegen sehr unkomfortabel. Ich wollte die angekündigten “Schwerwettertage” eigentlich nutzen um die Installation der neuen Heizung fertigzustellen. Leider habe ich mir dabei beim Kürzen der Kunststoffdieselleitung mit dem Teppichmesser ziemlich blöd in die Hand geschnitten. So kam es, dass die Bordärztin gleich nach dem Frühstück Ihre erste OP hatte und unser Nahtmaterial zum Einsatz kam. 

Das Vorher Bild erspare ich Euch…

Grade als ich mich an den Gedanken nun vom quasi Einhandsegler zum Halbhandsegler geworden zu sein gewöhnt hatte und wir diskutierten, wie wir mit diesem Handicap am Besten weiter machen, kam die Küstenwache und schleppte einen Segler mit Motorproblemen durch die Hafeneinfahrt in der sich inzwischen die Wellen brachen vorwärts in die Lücke neben uns.

Bei uns an Bord war sofort “high life”, zehn Segler brachten Ihr komplettes Gepäck (vieeeeel Gepäck) über unsere Stb Seite und unsere Gangway auf den Steg. Alle schön mit schwarzen Sohlen… Immerhin waren sie sehr freundlich und wir bekamen sogar zum Abschied als Dank für unsere Hilfe beim Anlegen und Entladen eine kalte Flasche Prosecco. Ob der wohl für den (selbstgefahrenen) Anleger des Tages gedacht war?

So sitzen wir jetzt, den ganzen Tag an Bord (Tatjana war wenigstens kurz einkaufen) und hören den markerschütternden Schlägen der Wellen zu, die von der Kaimauer reflektiert gegen unser Heck klatschen. Ich hoffe, es sind die Wellen und nicht unser Ruderblatt, das Bekanntschaft mit dem Grund des Hafenbeckens macht. Das hatten wir in Griechenland auf einem Charterboot mal erlebt und führte unseren Erinnerungen nach zu einem noch hässlicheren Geräusch.

Am nächsten Morgen hatte der Wind endlich gedreht und Tatjana konnte zwei zusätzliche Fender die im Hafenbecken trieben als Entschädigung für unser Durchhaltevermögen abstauben. Die konnten wir auch brauchen, denn die Motoryacht Backbord neben uns war nur mäßig gesichert und kam mit ihrem Heck bereits gestern bedrohlich nahe an unser Heck, so dass wir das Dinghy als Riesenfender an diese Stelle verholt haben.

Etappe 27: Rom – Anzio (29.8 sm)

Nachdem wir heute morgen in Rom abgelegt hatten, habe ich die Genua ausgerollt und gewartet, bis die Wassertiefe für mein Dafürhalten gross genug war, um bei ablandigem Wind in den selben Richtung Küste zu fahren um auch das Gross zu setzen. Trotz idealer Segelbedingungen von 10-12 Knoten Wind aus Ost haben wir dabei ein Reff ins Gross gebunden und der Motor tuckerte dauerhaft eingekuppelt mit. Tatjana hatte Angst vor eventuellen Herbststürmen und Gewittern (der italienische Wetterdienst warnt meiner bisherigen Erfahrung nach oft und grosszügig vor Gewittern, die dann meist nicht kommen, an Bord aber immerhin für ein ungutes Gefühl sorgen).

Gepaart mit der Beschreibung im Hafenhandbuch, dass der (heutige Ziel-) Hafen von Anzio bei Sturm aus Süd nicht anfahrbar ist, sorgte dies bei der grossen Borddame für eine etwas blassere Gesichtsfarbe als üblich. Also erstes Reff und zu Ihrer Beruhigung habe ich die Rettungsweste angelegt, einer muss nach den gut 27 Meilen, die wir heute vor uns haben ja anlegen können, ich sollte also nicht über Bord gehen…

Zanzibar liegt währenddessen super balanciert am Ruder. Man kann das Steuer sogar los lassen und Sie hält Kurs.

So motorsegelten wir den Tag in südöstlicher Richtung dem Stiefel entlang. Erstes Highlight des Tages war dabei ein Düsenflugzeug, dass in der Nähe des Militärflughafens Mario De Bernardi seine Kunststücke wie Loopings etc. zum Besten gab.

Das nächste Highlight der besonderen Art war zweifellos die nervenaufreibende Hafeneinfahrt. Da der Hafen stark zum Versanden neigt, funkt man die Küstenwache an, die einem entsprechend des eigenen Tiefgangs eine Fahrrinne in den Hafen zuweist (In unserem Fall “in 30m Abstand zum Backbord Leuchtfeuer der Hafeneinfahrt”). Da diese Fahrrinne in einem Sperrgebiet lag, hatte ich leichte Skrupel dieser Anweisung zu folgen und es wurden eher 100m Abstand. Glücklicherweise hatte ich mir die AIS Wegpunkte eines vor uns in den Hafen einfahrenden (größeren) Seglers gespeichert und so liegen wir nun, nach anschliessendem Funken mit den Marineros im Hafen von Anzio in dem ein nicht unerheblicher Schwell steht. Fühlt sich fast wie Ankern an 😅.

Die Ausfahrt dürfte unproblematisch werden, denn nun haben wir ja unseren eignen Track den wir in umgekehrter Richtung erneut abfahren können.

Wetterbedingt planen wir 5 Nächte hier zu verbringen und zum Beispiel die Ruinen von Neros Villa und seinem Hafen zu besichtigen.

Es wird eindeutig Herbst…

Gerne würden wir auf unserem Trip noch zur Insel Ponza, allerdings bereitet mir das auf dem Weg dorthin als Zwischenstop angedachte San Felice Circeo etwas Kopfzerbrechen. Auch dort neigt der Hafen zum Versanden und der maximal zulässige Tiefgang für die Einfahrt beträgt 2m (wir haben 1,85m)… Mal sehen, welche Erkenntnisse ein Anruf dort bringt.

Solange also erst mal auf zur Besichtigung von Neros Ruinen:

Etappe 26: Riva di Traiano – Rom (31.7 sm)

Während wir das Boot für die heutige Etappe klar machen, fahren laut hupende Fischer aus dem Hafen. Erst später erzählt mir Tatjana, dass das Hupen wohl Ihr galt, als Sie auf dem Steg unser öliges Geschirr vom Vortag abwusch und man unter Ihrer Jogginghose ein Stück Ihres Tangas hervorblitzen sah. Na dann…

Das Geschirr haben wir übrigens nur deshalb am Steg gewaschen, da es in Riva di Traiano nur „Industrial Water“ an den Stegen gibt und wir etwas knapp an Trinkwasser in unseren Tanks im Boot waren und unsere Schläuche/Tanks nicht mit Wasser zweifelhafter Qualität füllen wollten.

Nachdem der Nachbar von Gegenüber als Abschiedsgruß über seine Reling ins Hafenbecken pinkelte (das scheint es also nicht nur in Cannes zu geben) haben wir abgelegt (nicht deshalb natürlich 😅).

Als wir kurze Zeit später an der Tanke längsseits gingen, haben wir den bereits gestern bestaunten Tankwart live erlebt. Er rauchte als er uns den Zapfschlauch reichte seelenruhig eine Zigarette…

Dann aber ging es los. Bei Wind direkt auf die Nase sind wir die ersten Stunden in Richtung Rom motort.

Da auf dem NAVTEX keine Meldung bezüglich einer geplanten Schiessübung empfangen wurde, sind wir um Seemeilen zu sparen durch das Schiessübungsgebiet E305 motort. Kurz bevor wir es erreichten wurde ich aber doch nervös. Civitavecchia Radio meldete auf Kanal 16 Schiessübungen. So richtig gut, waren die dort verlesenen Koordinaten jedoch nicht zu verstehen. So kam es, dass wir ca 2.5h lang froh um jedes Fischerboot waren, dass unseren Weg kreuzte (und sich dann ebenfalls im fraglichen Gebiet befand).

Unterwegs haben wir ausserdem heute die 500. Seemeile mit Annika geloggt und nicht nur einen lustig immer wieder aus dem Wasser springenden kleinen Schwertfisch sondern einige Male auch eine Delfinflosse und einen Schwarm Sardinen gesehen.

Ungefähr zehn Seemeilen vor unserem Etappenziel drehte der Wind dann etwas und wir konnten mit der Genua wenigstens noch etwas Motorsegeln.

Die Marina Porto di Roma ist etwas in die Jahre gekommen, aber selbst am Ende der Saison, zumindest am Wochenende überraschend belebt. Es scheint sich um die Flaniermeile von Lido di Ostia zu handeln. Natürlich wollen wir hier neben grösseren Bootsarbeiten (Heizung, Fäkalienpumpe (schon wieder ein Sch… Job) auch wieder eine kleine Sightseeing-Tour ins antike Ostia machen.

Rom selbst wollen wir vorerst nicht besichtigen, da wir planen, nach der Auswasserung von Zanzibar, vor unserer Heimreise ohnehin eine Woche in einem AirBnB in Rom zu verbringen.

Etappe 25: Porto Ercole – Riva di Traiano (36.2 sm)

Es wird Herbst, es ist nicht zu leugnen. Zum einen brauchen wir seit ca 3 Tagen abends wieder lange Klamotten, zum anderen haben sich die vorhergesagten Winde deutlich geändert. Für heute ist Wind zwischen 15 und 20 Knoten vorhergesagt, idealer Segelwind also. Eigentlich!

Denn leider haben Teile der Crew Bedenken und fühlen sich bei 10 Knoten Wind am wohlsten (seit Annika mitsegelt, fängt ab 15 Knoten, je nach Windeinfallswinkel, das Unwohlsein an). Das kann ja was werden. Und dann wollen wir am Freitag den 13. auch noch fast 35 Meilen machen 🥴. Kurz wird halbherzig versucht mich mit „never leave port on a Friday“ zum abwarten zu bewegen. Ohne Erfolg.

Bis zum geplanten Winterlager ist es noch gut einen Monat und eigentlich hatte ich ja vor, die Region südlich von Rom im Hinblick aufs nächste Frühjahr schon mal ein bisschen zu erkunden.

Da der Wind die ersten Stunden nach unserer Abfahrt dann doch nicht sooo „schlimm“ war wie angekündigt, hatte ich Zeit einem AIS Mysterium auf den Grund zu gehen. Die letzten Tage habe ich in der Bucht vor Porto Ercole immer mal wieder einen verblüffend schnellen Segler gesehen.

Allerdings nur im AIS, nie beim Rundumblick. Zusätzlich hat mich der Aufbau der gesendeten MMSI verwirrt 152879695. Eine Zahlenfolge, die es gemäß international gültiger Radio Regulations eigentlich nicht geben kann. Zahlenfolgen die mit 1 beginnen, sind dort nämlich Flugzeugen und Hubschraubern im Rettungseinsatz vorbehalten, beginnen dann aber mit 111… Der kleinstmöglich Ländercode einer normalen Seefunkstelle wäre 201 für Albanien.

Der entscheidende Tipp kam aus dem Segelforum, an dass ich mich bei Ungereimtheiten oder Problemen gerne wende, um vom Erfahrungsschatz der anderen Forumsmitglieder dort zu profitieren.

Es handelt sich beim empfangenen Signal wohl um eine (falsch programmierten) AIS Sender an einer Fischreuse oder ähnlichem, die so vom Fischer leichter gefunden werden kann. Auf die Spur kam ich dem Fischer neben dem Hinweis im Forum übrigens dadurch, dass das fragliche Signal dem Fischer in allen Kursbewegungen folgte und dann plötzlich verschwand. Reuse eingefangen…

Interessant auch, dass ich dieses wenig plausible Signal lediglich mit Navionics beobachten konnte, nicht mit iSailor. Dort wird also vermutlich nach Plausibilität gefiltert.

Die Tatsache, dass wir den Turbosegler locker überholen konnten, sorgt nun neben einem neuen Distanzrekord für die heutige Etappe auch für einen neuen Geschwindigkeitsrekord. Zanzibar ist nicht nur in der Lage einen 52 Knoten Segler einzuholen, sondern kann auch locker vorbei ziehen 🤣

Nach diesen Spielereien kam dann aber tatsächlich noch Wind und das vorsorglich im ersten Reff gesetzte Gross machte plötzlich Sinn.

Beikost bei Seegang, da muss man bei der Bildschärfe Abstriche machen 😉

Trotzdem war es ein langer Tag und ich war froh, dass wir am Zielort südlich von Civitavecchia beim Anlegen mal kaum Wind hatten…

Der weisse Fleck im marinetraffic Empfangsgebiet ist Geschichte…

Auch hier wollen wir 2 Nächte bleiben, bevor wir unserem Winterlagerhafen in Rom einen ersten Besuch abstatten wollen (Zubehör für die neue Dieselheizung und eine neue Fäkalienpumpe sind bereits parallel zu uns auf dem Weg dorthin).

Wir haben in dieser „Betonmarina“ einen echten Premiumliegeplatz ergattert, direkt an der Hafeneinfahrt. Bei Nordwest Wind steht netter Schwell und jedes Boot das hier vorbeifährt zerrt an unseren Heckleinen. Allerdings haben wir einen unverbaubaren Blick auf die Tankstelle der Marina, an der sich der Tankwart während er auf Kunden wartet den ganzen Tag in einer knappen schwarzen 80er Jahre Badehose sonnt…

Ein bisschen wackelig liegen wir hier schon…
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