Etappe 2020-10: Agropoli – Sapri (55.5 sm): “Schon wieder ein Ablegemanöver das Grauens“
“5:50 Agropoli abgelegt” lautet heute der erste Logbucheintrag. Aufgrund der Etappenlänge, haben wir den Wecker gestellt und brechen noch in der Morgendämmerung auf in Richtung Sapri.
Mangels Wind motoren wir die ersten Stunden entlang der für Mittelmeerverhältnisse üppig betonnten Küste und wundern uns stellenweise über eine Art Algenteppich, den wir schon auf dem Weg nach Agropoli bemerkt hatten. Es scheint sich um eine Art Salzwasser-Wasserlinse zu handeln.
Kurz vor Acciaroli können wir in ca 6 Knoten Wind dann die Genua zur Hilfe nehmen um etwas schneller voranzukommen. Das Kommando “Motor aus” ist aufgrund der für den Nachmittag angesagten Gewitter und der Etappenlänge aber erst mal noch keine Option.
Der Wind schläft nach einer zwischenzeitlichen Zunahme auf ca 12 Knoten ohnehin bald ein und ich freunde mich mit dem Gedanken an einen weiteren längeren Motorabschnitt an.
Wir kommen unter Motor zügig vorran und haben bei der Rundung des Capo Palinuro um die Mittagszeit nach rund 6 Stunden bereits 34 Seemeilen zurück gelegt. Ein echter Tag zum Meilen fressen also…
Gegen Ende der Etappe können wir im Golf von Policastro tatsächlich nochmal fast 2 Stunden motorsegeln.
Leider müssen wir anschliessend auch in Sapri zweimal anlegen, wobei, das Anlegen hier gar nicht das Problem war:
In Sapri gibt es einen Pontile Communale (Stadthafen) und einen privaten Schwimmsteg im selben Hafenbecken. Der private Anbieter bietet seine Plätze bei Navily an und gibt dort VHF Kanal 12 als Kontaktmöglichkeit an. Auf Kanal 12 landet man aber beim Pontile Communale, wo wir nach kurzem Funkkontakt auch überaus freundlich empfangen und am Steg vertäut wurden.
Da man hier aber nichts von einer Reservierung zu weiss, werden wir skeptisch und entdecken gegenüber, vor einem Schwimmsteg die Markise der “Marina Porto di Sapri”. Uns schwant, dass wir dort reserviert haben.
Wir spazieren nach dem Anlegerbier also hin und fragen uns durch: Tatsächlich! Hier hat man eine Reservierung für Zanzibar. Der Stegbesitzer macht uns recht schnell klar, dass wir an seinen Steg umparken sollten, wenn wir nicht doppelt bezahlen wollen (sein gutes Recht, wir haben bei ihm reserviert).
Wir fragen, ob uns wegen des auffrischenden Windes jemanden beim Anlegen helfen könnte. Natürlich, gar kein Problem.
Zu unserer Überraschung kommt ein hilfsbereiter Stegmitarbeiter sogar mit zu unserem Boot statt auf dem Schwimmsteg auf uns zu warten. Wie nett.
Als wir am Boot ankommen, geht die Tür nicht auf, das Schloss im Steckschot klemmt. Na Prima! Egal, unser Motor lässt sich starten ohne ins Boot zu müssen. Ich habe allerdings nicht bedacht, dass Tatjana nun Annika auf dem Arm hat und so nicht wie üblich beim Ablegen helfen kann. Kein Problem! Ich habe ja noch jemanden zum Helfen. Also Motor an und klar zum Ablegen bei Seitenwind. Ich entferne die Lee Heckleine und gehe nach vorn zur Lee-Muring. Ein Fehler! Während ich auf dem Vorschiff hantiere entfernt unser Helfer ungefragt unsere Luv Heckleine und wir treiben (noch an der Luv-Muuring hängend) aufs Nachbar Boot. Also schnell zurück ins Cockpit, aber es ist zu spät. Die Luvmuuring zieht uns vom Steg weg und unser Kiel verfängt sich in der Nachbar Muring. Unser Helfer hat inzwischen sein Handy am Ohr und palavert mit einem Anrufer.
Beim anschliessenden amateurhaften Abdrücken vom Nachbarboot geht unser Flaggenstock zu Bruch und unsere Halterung für den Rettungsring wird verbogen. Immerhin keine schlimmeren Verluste. Als wir an der Nachbar-Muring vorbei sind begehe ich Fehler Nr. 2: Ich überlasse unserem Helfer das Steuerrad. Offenbar Motorboote gewöhnt, kurbelt er wie wild von Anschlag zu Anschlag, gibt Rückwärts Vollgas ohne das Steuer fest zu halten und beweist erneut keine große Kompetenz. Meine aufrichtige Entschuldigung geht an dieser Stelle an unser Ruderlager und die Steuerseile. Als ich das Boot wieder steuere (Frau und Kind sind inzwischen völlig fertig) erklärt uns unser Helfer, dass Schäden am Boot doch kein Problem seien, solange es unserer Tochter gut gehe. Eine im Kern zweifellos richtige, aber dennoch etwas befremdliche Einstellung.
Er fragt noch, ob er am neuen Liegeplatz anlegen solle. Ich verzichte und übernehme das lieber selbst. Was für ein Finale nach unserer bisherigen Königsetappe in Kampanien…
Ich versuche auch aus der Situation etwas zu lernen und nehme mir vor ab sofort bestimmter aufzutreten: Wenn ich an Bord bin, fasst kein Fremder das Steuer an und ICH sage, wann und wie abgelegt bzw. welche Leine gelöst wird. Eigentlich hatte ich das bisher als selbstverständlich vorausgesetzt…
Am nächsten Tag erkunden wir wie immer den Ort. Immerhin wird Sapri im Hafenhandbuch als “Sommerfrische” beschrieben. Leider finden wir die Küstenpromenade jedoch eher trostlos und sind froh, dass wir für den nächsten Tag einen Platz im rund 40 Meilen weiter südlich gelegenen Cetraro (Kalabrien) reservieren können.
Immerhin können wir trotz Sonntag in einem kleinen Supermarkt einige frische Lebensmittel aufstocken bevor wir nachmittags mit der Webseite für unsere COVID19 Selbstdeklaration zur Einreise nach Kalabrien kämpfen.