Etappe 2022 – 5: Crotone – Gallipoli 73.9 sm – Ciao Calabria, benvenuti in Puglia

5:05 Crotone abgelegt. Unser erster Logbucheintrag des Tages klingt so gar nicht nach Urlaub. Irgendwie fühlt sich unser Pfingsttörn auch eher wie eine bezahlte Überführung an (zumindest stelle ich es mir das so vor). Wir passieren in der Morgendämmerung die unbeleuchtete Gasplattform Luna A und setzen kurze Zeit später motiviert das Grosssegel. Doch wieder herrschen nur leichte Winde von vorn. Dann wird das Segel eben nur gelüftet 😜

Wir motoren die nächsten Stunden durch den Golf von Taranto und sind uns sicher, dass unsere Etappen im Sommerurlaub in der Adria wieder deutlich kürzer werden sollen. Knapp hinter uns teilen zwei weitere Segler uns Schicksal: Freyr (227390510) und Tocade (228089130) sind heute unsere Flauten-Leidensgenossen.

Etwa ab halber Strecke lohnt sich unser Durchhaltevermögen und wir können tatsächlich segeln (und auch gleich unsere Reffleinen testen). Leider ist die Tagesetappe zu lang, als dass wir den Motor komplett ausschalten könnten. Er schiebt mit.

Nachmittags haben wir dann doch ein sehr mulmiges Gefühl, als wir auf Kanal 16 Bruchstücke des Funkverkehrs zu einem Seenotfall mitbekommen, in den wohl ein Boot verwickelt ist, das noch in Roccella Ionica am selben Steg lag wie wir.

Wir backen zur Ablenkung zum Mittagessen erneut ein Brot und vermuten, dass die Trockenhefe die Hitze im letzten Sommer eventuell doch nicht ganz unbeschadet überstanden hat. Egal, motoren macht fast so hungrig wie segeln 😜

Da der Gästepontoon im eigentlich angepeilten Etappenziel Santa Maria di Leuca aktuell wegen Bauarbeiten gesperrt ist, halten wir Kurs auf das etwas weiter nördlich liegende Gallipoli. Wir sind nun in der Region Apulien angekommen. Die Adria und somit unser „Rückweg“ ist zum Greifen nah. Nur noch einmal um die Ferse…

Wir sind ziemlich kaputt, wir verlassen den Schwimmsteg an dem wir angelegt haben nicht. Es gibt keim Bild vom Boot, nur ein schnelles Nudelgericht und ab ins Bett. Wir sind uns einig: So machen wir das nicht mehr. Natürlich kann man im Eiltempo um dem Stiefel segeln (bzw. motoren), von Land und Leuten bekommt man dann allerdings nichts mit.

Etappe 2022 – 4: Roccella Ionica – Crotone 63.9 sm

Wieder brechen wir früh auf (5:30 Uhr). Erholungsurlaub sieht irgendwie anders aus. Aber es hilft nichts: Der Weg in die Adria ist lang. Die Tagesetappen aufgrund der grossen Distanzen zwischen geeigneten Häfen ebenso. Als wir Roccella Ionica verlassen, steht ein hoher Schwell vor dem Hafen. Vorhergesagte mögliche Gewitter und bedrohlich dunkle Wolken an Backbord sorgen bei einigen Crewmitgliedern für Unbehagen. Bei anderen zumindest für Anspannung.

Als wir nach etwa zwei Stunden Punta Stilo querab haben, fängt es an zu tröpfeln. Die Welle ist unangenehm. Hoher Schwell vom Vortag kommt im Vergleich zum wenigen Wind genau aus der entgegengesetzten Richtung. Nach einiger Zeit können wir die Genua zur Hilfe nehmen und motorsegeln über den Golfo di Sqillace. Segeln ohne Motorunterstützung ist aufgrund der Etappenlänge und der Tatsache, dass zumindest Annika abends wenigstens noch einen kurzen Landausflug/Abendspaziergang braucht nicht drin. Als wir Capo Rizzuto runden sehen wir die vielen Windkraftanlagen, die in diese windreichen Topographie (direkt hinter der Küstenlinie türmen sich Berge auf) umweltfreundlich für Strom sorgen.

Wir passieren das vorgelagerte Naturschutzgebiet, dessen Begrenzungstonnen nicht alle an den erwarteten Positionen liegen und steuern unseren Zielhafen Crotone an, der in einer Bucht mit vier Gasplattformen liegt. Wie romantisch 😉. Trotz ordentlich Wind klappt der Anleger wie am Schnürchen und wir liegen kurze Zeit später am Schwimmsteg des örtlichen Yachtclubs.

Da man am späten Sonntagnachmittag wohl keine Lust auf Papierkram hat, bittet man uns, die Anmeldeformalitäten erst morgen zu erledigen. Auch gut! So kommt Annika nach dem Aperitif zu Ihrem Spaziergang zum Molenfeuer. Am Hafentag erkunden wir das wenig touristische Örtchen und finden beim örtlichen Metzger erneut Salsicca zum abendlichen Grillen an Bord. Ausserdem stattet uns die Guardia Finanza einen Besuch an Bord ab und kontrolliert unsere Papiere.

Etappe 2022 – 3: Marzamemi – Roccella Ionica 120 sm – Die erste Nachtfahrt als Familiencrew (und viele weitere Premieren)

Nach einem ruhigen Morgen wird es nach etwa 20 Seemeilen, als wir beginnen die Zufahrt zur Straße von Messina zu queren etwas lebhafter: Wir müssen zwei großen Frachtschiffen ausweichen. Auch am Funkverkehr merkt man, was für eine verkehrsreiche Meerenge hier querab liegt. Wir lassen den aufgrund des diesigen Wetters nur unscharf zu erkennenden Ätna an Backboard liegen und motorsegeln mit etwa 6 Knoten dem italienischen Festland entgegen. Läuft bisher eigentlich alles wie am Schnürchen. Wenn es weiter so flutscht, sollten wir unser Etappenziel Roccella Ionica in den frühen Morgenstunden erreichen. Noch unklar ist uns indes, wie wir uns nach der geplanten ersten Nachtfahrt mit Kind dann wieder bestmöglich erholen…

Nach dem Abendessen kommt bei Einbruch der Dunkelheit kurz ein Delfin vorbei und jagt uns einen gehörigen Schrecken ein. Im Halbdunkeln halten wir ihn im ersten Moment für einen Wal 😉 Wir rollen die Genua weg. Zum Einen ist der Wind eingeschlafen, zum Anderen herrscht noch immer reger Verkehr und wir wollen uns voll und ganz auf den Ausguck konzentrieren. Vor den vielen Lichtern der bebauten Festlandküste fällt es uns schwer, die Navigationslichter der per AIS und dem erstmals ernsthaft verwendeten Radar sichtbaren Schiffe auszumachen. Ein extrem anstrengender Beginn der Nacht. Zum Glück wird es, als wir die Hauptschifffahrtslinie gequert haben, nach etwa zwei Stunden etwas ruhiger.

Annika spürt wohl insgeheim die Anspannung Ihrer Eltern und wacht bereits kurz nach Mitternacht auf. Sie will partout nicht mehr schlafen und so ist ab sofort meist einer von uns mit der Kinderbetreuung beschäftigt. Unsere Müdigkeit wird größer und größer und wir beide sehnen die Morgendämmerung herbei als plötzlich ein Boot in einem Affenzahn auf uns zu rast. Piraren? Hier??? Nur einen Augenblick später wird zunächst unsere Gastlandflagge an- und anschließend unsere Gesichter mit einem Suchscheinwerfer ausgeleuchtet. Die Guardia Finanza möchte wissen wo wir hin wollen und wieviele Personen an Bord sind. Die Dunkeladaption unserer Augen ist dahin und wir fragen uns, warum man diese Fragen einem Boot, das ein AIS Signal aussendet nicht per Funk stellt und es stattdessen derart zu erschreckt 🙄🤪…

Gegen viertel nach fünf wird es endlich etwas heller und wir werfen etwa 1 Meile vor unserem Zielhafen den Anker. Noch eine Premiere! Vor Anker habe ich mich mit Zanzibar noch nie schlafen gelegt. Nach dem ersten Kaffee und einer Runde Schwimmen vom Boot aus für Tatjana, legen wir gegen halb elf nach 120 Seemeilen an einem Fingersteg im Porto delle Grazie in Roccella Ionica an: Was für ein Abenteuer!

An unserem Hafentag laufen wir in den etwa drei Kilometer entfernten Ort um Annikas Bewegungsdrang auf einem Spielplatz zu befriedigen und decken uns beim örtlichen Metzger mit Salsicca ein, die abends auf den Heckkorbgrill wandern.

Zwischen Hauskauf und Sanierung geht es weiter mit einem PP: Pfingst-Powertörn

Nach meiner Rückkehr vom Boot Anfang April, haben wir so ganz nebenbei ein altes Haus gekauft, dass wir in den nächsten knapp 1.5 Jahren sanieren wollen. Die Tapeten und Bodenbeläge sind bereits entfernt und nach und nach trudeln die Angebote der diversen Handwerker ein. Entsprechend gestresst bin ich, als es für mich heute morgen endlich zum Flughafen geht. Ich brauche dringend eine Pause und hoffe, dass ich mir und meiner Familie (die übermorgen nachkommt) mit dem geplanten “Pfingst-Powertörn” nicht zu viel zumute.

Die Tatsache, dass es an der Stiefelsohle kaum sichere Häfen gibt, die nur eine familienkompatible Tagesdistanz auseinander liegen, hat mich zugegebenermaßen bei der Planung der Fortsetzung unseres Trips schon etwas überrascht. Ich hatte eigentlich erst entlang der italienischen Adriaküste längere Schläge und weniger Häfen erwartet. Nun denn, es bleibt zu hoffen, dass Frau und Kind auch nach dem geplanten Husarenritt vor Pfingsten mit mir segeln wollen. Spätestens in Kroatien oder Griechenland wird es entspannter, versprochen 😉

Unser Etappenplan für den Pfingsturlaub sieht derzeit jedenfalls wie unten skizziert in nur 6 Etappen knackige 430 sm vor. Das Ganze in einem Zeitrahmen von nur 2 Wochen. Das, darf man guten Gewissens als „sportlich“ bezeichnen:

  1. Marina di Ragusa – Grand Harbour Marina Malta, 55 sm, 2-3 Tage Aufenthalt auf Malta
  2. Grand Harbour Marina – Marina di Marzamemi (61 sm)
  3. Marina di Marzamemi – Porto delle Grazie – Roccella Ionica (115 sm, erste Nachtfahrt als Familiencrew)
  4. Roccella Ionica – Yachting Kroton Club – Crotone (63 sm)
  5. Crotone – Porto di Santa Maria di Leuca (72sm)
  6. Santa Maria di Leuca – Brindisi (66 sm)

Falls das Wetter so gar nicht mitspielt, müssten wir von Marina di Ragusa direkt nach Marzamemi abkürzen und Malta vorerst an Steuerbord liegen lassen.

So oder so steht uns die erste Nachtfahrt im Mittelmeer bevor: Wir planen nämlich die 115 Seemeilen zwischen Marzamemi und Roccella Ionica in einem Rutsch durchzufahren. Einen Vollmond, der uns dabei gelegen kommen würde, gibt es Ende Mai zwar leider keinen, aber segeln im Dunkeln hat ja durchaus auch seinen Reiz. Ich bin gespannt, wie das klappt und wie viele Tage wir anschliessend zur Erholung brauchen.

Insgesamt haben wir 15 Tage zur Verfügung um unser Boot in die südliche Adria zu verholen. Wir planen etwa zwei Tage um Zanzibar in Brindisi für unserem Rückflug einzumotten. Dort muss das Boot dann auf einem bereits gebuchten Liegeplatz nur sechs Wochen auf die Fortsetzung unseres Trips in unserem Sommerurlaub warten.

Im August soll es dann von Brindisi ausgehend weiter nach Norden gehen, etwaige Etappenziele stehen hier allerdings noch nicht fest.

Jetzt steht ohnehin erst einmal das Anschlagen von Sprayhood, Bimini und Segeln an.

Etappe 2021-1: Tropea – Palmi 21.7 sm – Das Abenteuer geht weiter

Nachdem der uns für den angeschliffenen Gelcoat angebotene Nachlass mit 50,- € lächerlich niedrig ausfällt, liegen wir kurz nach unserem Ablegen in Tropea gegen halb zehn Uhr morgens wieder an der Werftmauer und lassen den Schaden beheben. Ich bin sehr gespannt wie lange das dauern wird und wie gut das Endergebnis dann sein wird…

Nach zirka 2 Stunden und getaner Arbeit haben wir natürlich auch hier wieder eine „It‘s the same colour“ Diskussion. Der neu aufgebrachte Gelcoat hat natürlich nicht (!) die richtige Farbe. Schön geschliffen ist er auch nicht. Wir lassen es trotzdem gut sein. Der Skipper wird sich dieser Stelle nochmal selbst widmen. So, bekomme ich das allemal auch selbst hin.

Anschliessend haben wir auf unserem Weg nach Palmi zunächst etwa 15 Knoten Wind direkt auf der Nase und motoren deshalb durch eine unangenehme seitliche Welle. Nachdem wir das Capo Vaticano passiert haben, können wir die Genua etwas zur Hilfe nehmen um gegen die 2 Knoten Strömung die uns aus der Strasse von Messina entgegen kommen besser voran zu kommen. Wie schon bei unserem ersten Aufenthalt werden wir auch heute im Yachtclub in Palmi herzlichst empfangen. Wieder schenkt man uns eine Flasche Prosecco. Wenn uns hier jetzt keiner ins Boot fährt kann der Urlaub beginnen.

Nach dem Anleger beschäftigt uns bereits die morgen anstehende Etappe: Die an der engsten Stelle nur 3 Kilometer breite Strasse von Messina, in der die Strömung bis zu 6 Knoten betragen kann, nötigt uns einigen Respekt ab. Wir planen gegen 8:30 Uhr hier aufzubrechen, um gegen 11 Uhr bei „slack“ also Null Strömung an der Einfahrt zur Strasse zu sein. Danach kippt die Strömung gegen uns. Von der Einfahrt der Strasse bis zur Marina sind es dann allerdings nur noch etwa 8 Seemeilen also etwa 1.5-2 Stunden.

Von 0 auf 100 in unter 27 Stunden – Willkommen zurück in Italien!

Nach einem gut zweistündigen Flug und einem anschliessenden, halsbrecherischen Transfer vom Flughafen zur Werft sind wir wieder heute endlich wieder zurück an Bord.

Da wir an einem Freitag Mittag, kurz vor Feierabend ankommen, liegt unser Boot bereits im Wasser und ist längsseits an einer Mauer auf dem Werftgelände festgemacht. Nach dem Begleichen unserer Rechnung 🤫 hilft man uns trotz des nahen Wochenendes noch unsere zahlreichen Gepäckstücke an Bord zu hieven.

Dann sind wir auf uns gestellt: Feierabend! Strom oder Wasser gibt es hier nicht. Das ist aber kein Problem, wir haben für die ersten Nächte einen Hafenplatz in der Marina im selben Hafenbecken reserviert und müssen uns lediglich dorthin verholen. Die ca. 5 Knoten auflandiger Wind sind dann beim Eindampfen in die Spring beim Ablegen auch gar nicht das Problem. Leider aber hat die Mauer an der wir liegen einen Vorsprung, der nicht auf Höhe unserer Bordwand sondern deutlich darüber (auf Höhe unserer Relingsoberkante) liegt. Nach einigem improvisierten Hin- und Her- (vermutlich war ich beim Eindampfen in die Spring nach so langer Bootsabstinenz etwas zu zaghaft) schaffen wir es freizukommen und verholen uns problemlos auf unseren Liegeplatz unmittelbar vor der lokalen Pizzeria. Abends schlage ich noch die Sprayhood an, bevor der Tag bei Pizza und Bier ausklingt.

Nachts gegen viertel vor vier werden wir tatsächlich von Regen geweckt und bauen halsüberkopf unsere Klimaanlage ab. Gleichzeitig bemerken wir einen Regenwassereinbruch über zwei Lampen an unserer Salondecke steuerbords. Da haben wir also schon einen weiteren Punkt auf unserer To-do Liste.

Am nächsten Morgen trocknen wir die Motorbilge und bringen das Bimini an. Nach zwischenzeitlichen Regenpausen folgen am Nachmittag das Grosssegel und die Lazybags. So langsam sieht Zanzibar schon wieder wie ein Segelboot aus…

Anschliessend spielt Annika etwas am nahen Sandstrand und ich buche den nächsten Hafenplatz in der Marina di Palmi, die wir ebenfalls bereits von einem Besuch im Vorjahr kennen. Wir wollen es langsam angehen lassen und uns schrittweise der Strasse von Messina nähern, die uns doch einiges an Respekt abverlangt.

Obwohl wir bei der örtlichen Werft durch den Neuafbau (inkl. Sandstrahlen) des Unterwasserschiffs rund 20% das Schiffswertes investierten, gibt es auch hier wieder etwas zu meckern: Wir hatten auch die Aufarbeitung des Teaks im Cockpit in Auftrag gegeben. Man sagte uns zwar, dass das schwierig sei, da das Teak nur noch sehr dünn sei, unsere Beschwerde hat aber nichts mit dem tatsächlich sehr dünnen Teak zu tun. Viel mehr mit der Arbeitsweise des Mitarbeiters, der das Teak abgeschliffen hat. Offenbar ist er beim Schleifen davon ausgegangen, dass das Teak über dem umliegenden Gelcoat liegt. Das war jedoch leider nicht überall der Fall. Man hat sich anschliessend noch nicht einmal die Mühe gemacht, den Fehler zu beheben/vertuschen…

Doch es kommt noch doller: Gegen 19 Uhr als wir gerade unter Deck zu abend essen, kracht ein Boot Anker voraus in unsere Backboardseite. Verständlicherweise sind wir etwas aufgeregt als wir vom Abendessen aufspringen und beim Abdrücken des fremden Ankers von unserer Bordwand helfen. Vom Vorschiff, des mit dem Wind einparkenden Bootes wird uns gleich signalisiert: Kein Problem! Kann man alles wegpolieren. Von wegen! Wir nehmen uns vor, auf eine Regelung durch die gegnerische Versicherung zu bestehen. Ein ähnlicher, in Rom reparierter Gelcoatschaden (vom netten „Fahrerflucht Franzosen“ in Genua) hatte immerhin mit rund 300,- EUR zu Buche geschlagen.

Anschliessend passiert dann zunächst etwa 1.5h nichts. Als Tatjana(!) nachdem sich alle etwas beruhigt hatten zum Boot des Unfallgegners spaziert und fragt, wie wir mit dem Unfallschaden denn nun umgehen sollten, wird Ihr vom Skipper ein unfreundliches „Domani Mattina“ („Morgen früh“) entgegengeraunt. Kein Wort der Entschuldigung, Nichts!

Auch als sich auf dem 3 Plätze weiter entfernt liegenden Boot gegen halb elf am nächsten Morgen schliesslich endlich etwas regt, werden wir beim erneuten Nachfragen auf „später“ vertröstet. Man habe Urlaub und möchte zunächst in einem Cafe am Hafen einen Kaffee trinken gehen.

Schliesslich bequemt sich einige Zeit später dann doch noch ein Besatzungsmitglied zu uns. Er möchte zunächst den Schaden begutachten und Fotos machen. Ich bitte ihn an Bord und nach kurzer Inspektion unserer Backboardseite sieht er ein, dass die von mir bereits gemachten Fotos wohl genügen..

Wir tauschen die Fotos und Handynummern aus und er verspricht, ein Foto seine Versicherungspapiere zu schicken. Na ob das klappt? Willkommen zurück in Italien!

Etappe 2020-21: Stromboli – Tropea (34 sm)

Zunächst herscht auch heute wieder Flaute. Dabei war bis gestern eigentlich noch schöner Segelwind vorhergesagt. Dieser lässt jedoch auf sich warten und soll nun erst gegen Abend kommen. So motoren wir auch auf unserer Schlussetappe ins Winterlager nach Tropea. Wieder werde ich wehmütig: Es ist erst Ende August und unser Segelsommer 2020 ist schon wieder zu Ende und das Boot wird Ende der Woche schon wieder fürs Winterlager ausgekrant.

Immerhin konnten wir im verrückten Corona-Jahr unsere Reise um den Stiefel überhaupt fortsetzen und das Thyrrennische Meer liegt nun in unserem Kielwasser.

Da das Boot in diesem Jahr nur 6 Wochen im Wasser war, hatten wir uns eigentlich entschieden diesen Winter kein neues Antifouling auftragen zu lassen.

Allerdings zeigen sich am Kiel, wie ich beim Tauchen feststellen konnte, grössere Rostbereiche unter abgeplatztem Antifouling. Hier hatte die Werft in Rom (ohne unseren Auftrag) eine spezielle Anti-Rost-Grundierung aufgetragen. Soviel dazu. Das muss weg.

Auch unser Motor soll natürlich wieder einen wohlverdienten Filter- und Ölwechsel erhalten und wir spielen mit dem Gedanken, das Teak in Zanzibars Cockpit aufarbeiten oder gleich durch einen Kunststoffbelag in Teakoptik ersetzen zu lassen. 

Vor allem die Fugen des aktuellen Belags haben das Ende ihrer Lebensdauer erreicht und hinterlassen bei Berührung, speziell in nassem Zustand, auf Badehosen, Fingern, Füssen und dem umliegenden Gelcoat unschöne schwarze, schmierige Flecken.

Nach einiger Zeit überqueren wir den Patti Canyon mit mehr als 2000 Metern Wassertiefe. Wenn man drüber nachdenkt, beschleicht einen schon ein seltsames Gefühl: Unter uns ist 2km nichts.

Gut, dass der Tiefenmesser blinkend bei leichter verdaulichen 96 m stehen bleibt und sein ausgesendetes Signal nicht mehr empfängt: Zu tief!

Eine andere Sichtweise, die ich zum Thema Wassertiefe von einem Skipper einmal gehört hatte ist: Das Land ist gar nicht so weit weg, nur halt in eine ungewohnte Richtung 😉

Nach etwa zwei Stunden hoffe ich die Genua bei leichtem achterlichen Wind zur Hilfe nehmen zu können, aber der Wind ist zu leicht und das Segel schlägt im Seegang derart, dass ich es wieder einrolle. War wohl nix.

Unterwegs ist es heute ausserdem so diesig, dass man Sizilien am Horizont mehr erahnen als sehen kann.

Dann werde ich endlich erlöst und der erhoffte Wind kommt doch noch, so dass wir unter Genua unserem Winterlager in Tropea entgegen motorsegeln können.

Nach einer erneut recht versandeten Hafeneinfahrt (natürlich reagiert man auch hier nur widerwillig auf unsere Funksprüche) machen wir am letzten Liegeplatz des Urlaubs fest und Tatjana triezt mich, kurz nach dem Anleger noch das Vorsegel abzuschlagen.

Am ersten Hafentag steigen wir dann die 196 Stufen in die historische Altstadt hinauf und besichtigen das sehenswerte Örtchen. Ausserdem wird das Grosssegel eingetütet und im Waschsalon der Marina alles nochmal durchgewaschen, was über Winter an Bord bleiben soll.

Zum Glück haben wir beide Segel bereits im Boot verstaut als es Nachts das erste Mal seit langem regnet. Am nächsten Tag wird der Bordgrill gereinigt, der Aussenboarder verstaut und allerlei andere Jobs erledigt, die eben anstehen, wenn man sein Boot für längere Zeit verlässt.

Morgen steht nun eigentlich nur noch das Volltanken und das Leeren des Fäkalientanks an. Dann sollten wir bereit sein zum Auswassern. Ach ja, das mit dem Mietwagen mit dem wir nach Rom zum eigenen Auto zurück fahren wollen, erweist sich auch als schwieriger als gedacht: Die Autovermietung ist zu Fuss gut 1 Stunde vom Hafen entfernt und wir versuchen seit nun 2 Tagen herauszufinden, ob eine Übergabe des Wagens auch im Hafen und ggf. bereits am Vorabend möglich wäre.

Etappe 2020-13: Vibo Valentia – Marina di Palmi (32 sm)

Nach einem letzten Spaziergang zur Tanke legen wir um kurz nach acht zu unserer Etappe nach Marina di Palmi ab. Wir haben dort für zwei Nächte einen Liegeplatz gebucht und sollen sogar noch vor dem Hafen von einem Schlauchboot empfangen werden.

Natürlich herscht zunächst bis auf unseren Fahrtwind wieder völlige Flaute. SOG 5.5, Wind 5.4, direkt von vorn. Kein Wunder also, dass wir gerade so viel Diesel brauchen. Und die Windvorhersage verheisst nichts Gutes.

Kurz vor dem Capo Cozzo (hihi) haben wir ein Tretboot mit Rutsche querab. Nah unter Land zwar, aber trotzdem eine skurrile Begegnung.

Vorbei am Kap, unserem Winterlagerort Tropea und dem Capo Vaticano gehts es parallel zu einer Küstenstrasse mit (laut Seekarte) lustigem Namen weiter dem südlichsten Festlandziel des Jahres entgegen.

Später können wir am Horizont erst den Stromboli und beim Einbiegen in den Golfo di Gioia Sizilien und die Einfahrt zur Straße von Messina erkennen. Das fühlt sich schon ein bisschen wie ein weiteres grosses Etappenziel an: Wir sind am Ende des Tyrrhenischen Meers angelangt und haben etwa den halben Weg um den Stiefel “abgesegelt” (bzw. motort ;-)).

Ob wir im nächsten Jahr durch die Straße von Messina hindurch (mein ursprünglicher Plan) oder doch einmal um Sizilien herum (Tatjanas Wunsch) segeln, steht noch nicht fest. Vielleicht machen wir beides, segeln im Uhrzeigersinn um Sizilien und durchfahren die Strasse von Messina zwei mal. Aber das liegt noch in weiter Ferne und die Planung für diesen Teil der Reise wird wohl meine Winterbeschäftigung.

Rund 8.5 Meilen vor unserem Etappenziel in Palmi können wir bei 5 Knoten Wind fast direkt von hinten wenigstens noch ein wenig mit Genua motorsegeln und werden durch das ausgerollte Segel phänomenale 0.3 Knoten schneller. 

In Marina die Palmi liegen wir in einem sehr kleinen Hafen am Steg des örtlichen Yachtclubs. Auch hier werden wir gebeten umzuparken, allerdings geht das hier gemütlich mit Leinenarbeit und ohne Motor vonstatten. Neben uns legt kurze Zeit später das erste andere deutsche Boot an, dem wir seit langem begegnen, eine Familie aus München.

Als Annika schon schläft und die Eltern den Abend bei Schokolade auf dem Vorschiff ausklingen lassen, kommt nochmals ein Yachtclubmitglied vorbei und überreicht uns eine kalte Flasche Prosecco als Willkommensgeschenk 🥂.

Da der Ort in Palmi ein gutes Stück vom Yachtclub entfernt liegt, widme ich mich am Hafentag dem Einbau eines neuen Wasserfilters und dem Umbau des klappbaren Laufstalls für Annika (auch wenn ich nicht so wirklich überzeugt bin, dass sich unsere Tochter ohne Protest in den weniger als ein Quadratmeter grossen Käfig bugsieren lässt). Der Rest der Crew verbringt den bisher heissesten Tag mit Planschen am Strand.

Etappe 2020-12: Cetraro – Vibo Valentia (51 sm)

Erneut legen wir bereits um 5:50 und somit kurz vor Sonnenaufgang ab. Zur Ausfahrt aus dem Hafen, folgen wir dem GPS Track unserer Ankunft und wundern uns über einen vor der Hafeneinfahrt ankernden Segler, der ausser dem weissen Ankerlicht auch ein blinkendes rotes Rundumlicht zeigt, das durchaus mit dem roten Molenfeuer verwechselt werden könnte. Und das bei solch einer Hafeneinfahrt. Manche Dinge gibt es nur in Italien.

Als Highlight des erneut ziemlich windstillen Morgens weichen wir gegen viertel nach acht einem grossen Dreimaster aus. Was wir zunächst für ein Kreuzfahrtschiff halten, entpuppt sich später als Amerigo Vespucci, dem italienische Pendant zur Gorch Fock. Einmal mehr bin ich dabei froh über unseren AIS Transponder und kann CPA und TCPA genau im Auge behalten.

Kurze Zeit später begegnen wir einem kleinen Fischerboot, das Probleme hat, sein Fischerfähnchen wieder zu finden (wir versperren ihm die Sicht darauf), schlussendlich aber Erfolg bei seiner Suche hat.

Gegen 10 Uhr kreuzt Amerigo Vespucci erneut unseren Kurs und geht diesmal begleitet von einer Armada an kleinen Booten hinter uns durch. Doch auch das Segelschulschiff motort mangels Wind seinem Zielhafen Taranto am Absatz des Stiefels entgegen.

Kurz vor dem Golfo di Santa Eufemia können wir dann wenigstens die Genua etwas zur Hilfe nehmen und werden prompt einen knappen Knoten schneller. Segeln scheint auch in diesem Sommer im Mittelmeer eher schwierig. Auch sonst ist unser Törn dieses Jahr mit der fünfmonatigen Elternzeit im Vorjahr kaum zu vergleichen: Wir machen aufgrund der nur begrenzten Zeit (immerhin 6 Wochen) pro Etappe zwar deutlich mehr Strecke, bleiben aber weniger lang an den angelaufenen Orten und sehen so kaum etwas vom Hinterland. Da wir derzeit aufgrund von Corona keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen möchten und grössere Menschenansammlungen bestmöglich meiden, wäre das aber wohl auch mit mehr Zeit gerade eher schwierig. Dieses Mal „müssen“ wir aber auch Strecke machen, da wir am 28. August einen Krantermin fürs nächste Winterlager bei einer Werft in Tropea haben.

Schliesslich können wir dann doch noch segeln: Im Golfo di Santa Eufemia setzen wir bei mässigem Westwind nach gut drei Wochen erstmals auch das Grosssegel und segeln unter Vollzeug (und ohne Motor) rund zwei Stunden unserem Etappenziel mit zeitweise rund 7 Knoten Fahrt entgegen. Aber ich muss wirklich dringend die Reffleinen ersetzen 🤪.

Unter Segeln beobachte ich in einiger Entfernung einige jagende Thun- oder Schwertfische bevor wir in den Hafen einfahren. Unser Funkanruf wird innerhalb kürzester Zeit auf Englisch beantwortet und nur einen Augenblick später wird uns von einem Dinghy unser Liegeplatz gezeigt. Was für eine wohltuende Abwechslung.

Etappe 2020-11: Sapri – Cetraro (40.8 sm)

Die letzte geplante “Festlandetappe” soll uns heute von Sapri ins knapp 40 sm entfernte Cetraro nach Kalabrien bringen. Von dort aus wollen wir den Sprung hinüber zum Stromboli und den Liparischen Inseln wagen. Zunächst herscht wieder Flaute. Vorhergesagt sind leichte Winde aus südlichen Richtungen, also von vorn.

Wir motoren los und haben auf Höhe der Isola di Dino die zweite Delfinbegegnung des Jahres. Eine grössere Schule der Tiere umspielt unseren Bug und sorgt bei der Crew für Begeisterung. Diesmal bleiben die Delfine auch lange genug für ein standesgemässes Foto.

Später passieren wir das Örtchen mit dem wohlklingenden Namen Diamante. Das im Meer reflektierte Sonnenlicht glitzert tatsächlich sehr schön, ich bin mir aber nicht sicher, ob der Ursprung des Ortsnamens tatsächlich darin begründet liegt. Leider gibt es hier (noch) keine Marina und wir lassen den Ort links liegen und fahren weiter ums Capo Bonifatio in Richtung Cetraro.

Unterwegs waschen wir heute zum ersten Mal Wäsche durch hinterher ziehen. Wir hängen die Bezüge der im Winterlager geschimmelten Kopfkissen achteraus und werden dadurch prompt um etwa einen halben Knoten langsamer.

Leider schläft der Wind komplett ein, als wir ums Capo Bonifatio abbiegen. Stattdessen vernehmen wir Donnergrollen von den umliegenden Bergen und steuern auf die stark versandete Hafeneinfahrt zu. Stark versandet meint hier tatsächlich: Stark versandet! Vom roten Molenfeuer ragt eine sichtbare Sandbank ins Fahrwasser, die auch gut als Badestrand durchgehen könnte. Ein- und ausfahrende Boot müssen sich extrem auf der Seite des grünen Molenfeuers halten. 

Unsere Funkanfragen vor der kniffligen Hafeneinfahrt werden nicht beantwortet. Ebenso Anrufe. Auch auf einen Radiocheck Anfrage wird nicht reagiert. Erst als wir die kritische Stelle bereits vorsichtig passiert haben und die Ormeggiatore sehen können, die am für uns vorgesehenen Lieheplatz warten, funkt man zurück „No English!“.

Der Hafen selbst ist eher trostlos und etwas heruntergekommen. Mangels Alternativen ist er trotzdem ein von vielen Booten angelaufener Transithafen auf dem Weg nach Süden oder Norden. Laut Hafenhandbuch überwintern hier auch einige Boote im Wasser. Ich weiss jedoch nicht, ob das bei diesem Anblick an unserem Steg eine gute Idee ist.

Unser Plan von hier aus weiter zu den Liparischen Inseln zum Stromboli zu fahren, wird über den Haufen geworfen: Aufgrund des „Ferragosto“ einer italienischen Ferienwoche rund um Mariä Himmelfahrt, sind alle Bojen am Stromboli über Tage ausgebucht und wir wollen als „Ankeranfänger“ nach einer 55 Meilen Etappe ungern auf felsigem Grund ankern. 

Die nächsten Inseln sind für einen langen Tagesschlag von Cetraro aus zu weit entfernt. Auch in unserem 50 Seemeilen entfernten Winterlager in Tropea (Festland) von wo aus wir zu den Liparischen Inseln gelangen könnten, hat man in dieser Woche keinen Platz mehr für uns. Wir ergattern schliesslich einen Platz im ebenfalls 50 Seemeilen südlich gelegenen Vibo Valentia an einem Schwimmsteg. 

Unser neuer Plan sieht nun entweder einen langen Schlag von Vibo Valentia nach Panarea (einer anderen Liparischen Insel) vor um dort dann auf Sand zu ankern oder aber am Festland entlang weiter nach Süden zu fahren um dann nach einem Abstecher nach Sizilien die Liparischen Inseln von Süden her aufzurollen.

Panarea wird auch von einer Sunsail Flotille angefahren, die zweimal im Jahr im Norden Siziliens startet. Wir wollen uns daher beim hoffentlich trotz vieler Boote entspannten Inselhopping auf den Liparischen Inseln an der im Internet einsehbaren Flotillen-Route orientieren.