Etappe 2022-11: Bisceglie – Vieste 44.2 sm, Wind aus allen Richtungen, Delfine und die erste Grundberührung 😳

Wir legen am Samstag Morgen bereits um 6 Uhr ab. Heute steht uns eine etwa längere Etappe bevor. Wir wollen über den Golf von Manfredonia nach Vieste am Sporn des Stiefels. Zunächst herrscht Flaute. Wir motoren. Nach etwa 3 Stunden können wir die Segel zur Hilfe nehmen und motorsegeln. Kurze Zeit später schalten wir den Motor aus. Der Wind ist zwar etwas schwach auf der Brust und wechselt wild die Richtung, aber diese himmlische Ruhe an Bord überzeugt uns. Kurz vor unserem obligatorischen Badestopp kurz vor Etappenende besuchen uns drei Delfine. Zum ersten Mal in diesem Urlaub können wir die eleganten Tiere nicht nur aus der Ferne, sondern Haut nah bestaunen. Auch Annika ist begeistert. Nach dem Anleger in der Marina di Vieste machen wir einen Familienausflug zum nahen Discounter um unsere Trinkwasservorräte aufzustocken. Der Rückweg mit Einkaufs- und Kinderwagen durch den Kreisverkehr der Küstenstraße ist dann spannender als mir lieb ist, aber wir kommen sicher an Bord an und lassen den Tag mit Salsiccia vom Grill ausklingen.

Am Sonntag Vormittag herrscht zunächst Flaute. Perfekt um der Bootstankstelle einen Besuch abzustatten. Wir bitten einen Marinamitarbeiter bei der Tankstelle Bescheid zu sagen und legen ab. Gegenüber unseres Liegeplatzes liegen Bojen (für Moorings der an den dortigen (jetzt leeren) Liegeplätzen vertäuten Boote). Bei einer gemessenen Tiefe von 0.4m unter unserem Kiel (1.85m) gibt es plötzlich einen Bumms. Wir haben unter Wasser ein Hindernis getroffen 🤯. Entweder den Grund des Hafenbeckens oder eine von oben nicht zu sehende gespannte Leine. Zum Glück waren wir sehr langsam unterwegs. Ich denke, es ist nichts passiert. Der Boden im Hafenbecken besteht aus Sand. Trotzdem ein extrem ungutes Gefühl…

Nach dem Auftanken legen wir ohne weitere Probleme wieder an und machen uns auf den Ort zu erkunden.

Nach dem Mittagessen will ich einige Bootsarbeiten erledigen, während Annika und Tatjana zum Baden an den Strand aufbrechen.

Leider schaffe ich es nicht unseren Außenbordmotor, der die letzten knapp 2 Jahre in der Backskiste verbrachte zum Leben zu erwecken, neues Benzin, neues Öl, neue Zündkerze: Er springt nicht an! Um mich mit dem Vergaser intensiver auseinanderzusetzen fehlt mir im nur dreiwöchigen Sommerurlaub sowohl die Muse als auch das Know How. Das wandert also auf die „Winter-Liste“. Vorerst wird gepaddelt. Immerhin spanne ich endlich den für meinen Geschmack zu lockeren Keilriemen unseres (Haupt-) Dieselmotors und streiche einige andere Kleinigkeiten von der To-Do Liste.

Etappe 2022-10: Bari – Bisceglie 22.7 sm – Luigi reicht dem Hans die Leine

Nachdem Tatjana in Bari abgelegt hat, motoren wir für einen besseren Windwinkel zunächst etwa eine halbe Stunde von der Küste und können unserer Eisenfock kurz darauf tatsächlich eine Pause gönnen und in den leichten Winde (am Wind) segeln. Auch heute weichen wir auf unserem Weg zahlreichen Fischfarmen aus. Wie bereits auf den vergangenen Etappen beobachtet, scheint dieser Teil der Adria sehr fischreich zu sein (nicht nur durch die Aufzuchtanlagen).

Unterwegs interessiert sich wieder einmal die Guardia Finanza für uns uns fragt von Boot zu Boot schreiend Start und Zielhafen ab.

Kurz vor der Hafeneinfahrt von Bisceglie legen wir einen Badestopp ein. Trotz stets prompter Rückantworten bei Navily (in perfektem Englisch) antwortet am Funkgerät als wir uns anmelden natürlich wieder einmal niemand. Am Telefon wird auch nur halbherzig genuschelt. Wir fahren in Richtung Steg und sehen schließlich den mit einem roten Shirt bekleideten Marinero. Bei fast vollständiger Flaute legen wir problemlos an.

Als der Marinamitarbeiter mir die zweiter Heckleine zurück geben will, ich aber noch mit der Mooring beschäftigt bin ruft er nach „Hans“ (mir) der ihm doch bitte die Leine endlich abnehmen möchte.

Irgendwie ziemlich respektlos! Gar kein guter Start, vorallem beim stolzen Preis von 83,- € den wir hier für unsere Übernachtung hinlegen. Naja, immerhin nicht Adolf.

Ich siniere, ob Bisceglie vielleicht so etwas, wie die imaginäre Grenze nach Norden markiert und die Leute ab hier wieder unfreundlicher werden?

Wie dem auch sei, wir besichtigen das um die Mittagszeit doch sehr verschlafene Örtchen und genehmigen uns am frühen Abend in einer Cafe/Bar einer (sehr hochpreisigen) Aperitif. Immerhin sind wir anschließend so satt, dass wir das Abendessen an der nun immer belebteren Promenade ausfallen lassen. Als wir zum Boot zurück kommen piepst unser Motoralarm. Wohlgemerkt: Der Motor ist natürlich aus. Das Spülwasser für den angeschlagenen Autopilot sorgt nun wohl an anderer Stelle für seltsame Elektronik Probleme. Man kann sich darauf verlassen: Irgendwas ist immer

Die Crew vor Zanzibar am Liegeplatz in Bisceglie

Etappe 2022-9: Monopoli – Bari 27.8 sm

Auf unserer Etappe von Monopoli nach Bari haben sich Wind und Welle aus Nord-West bereits etwas abgeschwächt. Anfangs motoren wir an zahlreichen Fischfarmen genau in den Wind und kümmern uns nebenbei um die Kalibrierung unseres elektronischen Windanzeigers. Etwa ab halber Strecke nehmen wir die Genua zur Hilfe und werden rund einen Knoten schneller. Reisegeschwindigkeit 5-6 Knoten. Endlich! Es erstaunt mich immer wieder, wie sehr einen Wind und Welle gegenan einbremsen.

Anschliessend beobachten wir unzählige jagende Fischschwärme die immer durch die zahlreichen darüber kreisenden Möwen gut zu erkennen sind.

Unser Einlaufen in den Hafen verläuft problemlos. Vom befürchteten Fährverkehr ist in der Hafeneinfahrt keine Spur. Zum Glück, denn unser Autopilot will das Steuer kaum freigeben. Auch das sonst erfolgreiche harte Ruder legen sorgt zwar für fürchterliches Knacken, das Ruder kommt dabei aber trotzdem nicht frei. Einige Vollkreise im Vorhafen sind nötig, um endlich wieder vernünftig manuell steuern zu können. Gut, dass der neue Autopilot als Ersatzteil bereits mit an Bord ist. Jetzt muss ich mich eigentlich „nur“ noch um den Einbau des neuen Linearantriebs kümmern.

Nach zwei erfolglosen Funksprüchen (einmal Englisch, einmal Italienisch) erreichen wir die Marina telefonisch und liegen kurze Zeit sicher vertäut am Steg einer örtlichen Segelschule.

Noch selben Abend nutzen wir den kostenlosen Shuttle Bus der eigentlich die Fährpassagiere vom nahegelegenen Ticketschalter zu dem Fähranlegern am anderen Ende des weitläufigen Hafens bringt für einen Abendspaziergang durch das historische Zentrum von Bari. An einem belebteren Platz finden wir hauchdünne Pizza zum Abendessen und kaufen auf dem Nachhauseweg in der Strada delle Orecchiette die berühmten Nudeln (das Foto kostete wohl extra 😅).

Am nächsten Tag erkunden wir die Fussgängerzonen und wundern uns über skurrile Firmen und Restaurantnamen bevor wir nach einem Abstecher zum Shipchandler (Einbau Autopilot) unsere Lebensmittelvorräte etwas aufstocken.

Als der Shuttlebus auf dem Rückweg zum Boot ewig auf sich warten lässt (wir vermuteten zwischenzeitlich der Fahrer würde Siesta machen) rufen wir in der Marina an um sicher zu gehen, dass der Bus noch kommt. Kurzerhand bietet Andrea, der sehr nette Büromitarbeiter an, uns mit seinem Auto abzuholen. Als fünf Minuten später der Bus doch noch in der Ferne auftaucht haben wir ein ziemlich schlechtes Gewissen. Wir rufen Andrea erneut an, doch er kann uns bereits sehen und winkt uns aus dem Auto zu. Er muss tatsächlich sofort nach unserem Anruf zum Parkplatz gesprintet sein um uns am anderen Ende des Fährhafens abzuholen 🙏. Grazie mille!

Zum Abendessen gibt es die berühmten Nudeln, bevor wir den Abend on Bord ausklingen lassen.

Etappe 2022 – 8: Brindisi – Monopoli 41.2 sm – „Kreuze hoch bis zur Schlossallee“

Eine windige erste Etappe: Eigentlich ist der Wind perfekt, nur leider weht er mal wieder aus der falschen Richtung (Nord-West). Dazu nach der Hafenmole sofort 2m Welle gegen an. Warum tun wir uns das nur an? Wer hatte bloß die Schnapsidee die Adria in Richtung Norden (entgegen der vorherrschenden Winde) hochzufahren? Zu allem Überfluss schleppen wir auch noch unser Dinghy hinterher und müssen einsehen: So wird das nichts! In einem Kraftakt ziehen wir das Dinghy heran und vertäuen es quer am Heck. So sind wir wenigstens etwas schneller.

Ich erhöhe die Motordrehzahl, doch ausser einem beunruhigenden Gummigeruch sorgt dies nicht für eine Verbesserung. Wir nehmen die Genua zur Hilfe und segeln hart am Wind. Immerhin nimmt dieser entsprechend der Vorhersage im Laufe des Tages ab und das Kabbeln von Meer und Crew wird weniger 😜.

In der Nähe unseres Etappenziels beobachten wir einen riesigen Fischschwarm dicht unter der Wasseroberfläche (der vermutlich grade gejagt wird). Am späten Nachmittag legen wir in unserem Etappenziel Monopoli an. Natürlich will ich mich hier auf die Suche nach der Schlossallee machen. Aber auch abgesehen von der lustigen Ähnlichkeit des Dorfnamens mit dem Namen des beliebten Gesellschaftspiels freue ich mich darauf, dieses sehenswerte Fischerdorf zu erkunden. Auch für social media affine Segler befinden wir uns an einem ganz besonderen Ort: Hier ging die Reise von Riley nach dem Kauf der ersten „La Vagabonde“ los…

Bei einem Abendspaziergang flanieren wir durch den doch sehr touristischen Ort und bestaunen das örtliche „Castello Carlo V“, das einem „Schloss“ am nächsten kommt 😉.

Wir gönnen uns eine zweite Nach in Monopoli und machen am Folgetag einen Ausflug ins etwa 20 km im Hinterland gelegene Alberobello. Vorallem Tatjana möchte unbedingt die Trulli, kleine, runde Spitzhäuschen sehen, die seit 1996 zum Unesco Weltkulturerbe gehören. Doch unser Besuch gestaltet sich Anfangs gar nicht so einfach: Mietwagen? Heute??? Nein frühestens Freitag, wir müssen den ja vorbereiten. Taxi? Klar, 80,- €, aber nicht sofort, man schlägt uns eine Abfahrt um 15 Uhr vor 😳. So kommt es, dass wir zu Bushaltestelle pilgern. Wir sind sehr begeistert, als wir diese tatsächlich finden und gegen 10:30 auch der richtige Bus hält, scheitern aber dann doch auf der Zielgeraden: Man kann die Tickets nur online kaufen. Der ungeduldige Busfahrer erklärt den vielen wartenden Touristen den Sachverhalt und düst los. Nächste Chance 13:15 Uhr! Wir besuchen ein nahes Kaffee und kämpfen uns durch die Internetseite von Trenitalia. Tatsächlich schaffen wir es ein Ticket zu buchen und erwischen den nachfolgenden Bus (der allerdings auf der anderen Straßenseite abfährt). Busfahren in Italien, vielleicht das letzte große Abenteuer unserer Zeit 😂.

Alberobello selbst ist mit rund 10.000 Einwohnern beschaulich, aber erneut ziemlich touristisch. Wir sehen uns die Trulli bei einem Spaziergang durch den Ort an und nehmen den Bus zurück (erneut auf der „anderen“ Straßenseite im Vergleich zur Angabe des Busfahrers der Hinfahrt 🤷‍♂️.

Abends lassen wir uns durch die Altstadt treiben. Die Eltern teilen sich leckere Pizza und Pastagerichte. Annika bleibt bei Pommes mit Ketchup.

Endlich Sommerferien! Weiter geht‘s: Von Brindisi aus in der Adria in Richtung Norden

Nachdem in den vergangenen sechs Wochen die Sanierung unseres Eigenheims so richtig Fahrt aufgenommen hat (mit der Heizungs- und Sanitärrohinstallation ist das erste Gewerk nun fertig) geht es für uns zur Erholung von der Baustelle wieder in Richtung Süden. Trotz häufig in den Medien breitgetretenem „Flugchaos“ läuft unsere Anreise nach Brindisi problemlos. Als wir an Bord ankommen, bin ich sehr froh, dass unser Vorsegel unsere Abwesenheit gut überstanden hat. Wir hatten die Segel dieses Mal nicht entfernt und ich hatte die zum Vorsegel gehörende Schot einfach einige Male um das Vorsegel geschlagen, um ein Abrollen durch Wind und Wetter zu verhindern. Das Bilgen sind trocken und ich widme mich in der Mittagssonne umgehend der Installation des schattenspendenden Biminis und der Solarzellen. Anschliessend holen wir unser per Post angekommenes Ersatzteilpaket ab. Trotz fehlendem Trackingcode ist unser Dieselzusatz sicher angekommen (das hatten wir auch schon anders 🤪). Zur Belohnung gibt es ein Eis bevor wir Abends den Tag bei Pizza ausklingen lassen.

Am nächsten Morgen pumpem wir das Dinghy auf, checken den Motor und schlagen die Sprayhood an. Um die Mittagszeit pilgern wir knapp drei Kilometer in einen etwas größeren Supermarkt zum Verproviantieren für die nächsten Tage. Während ich mich anschliessend einer kleinen Verbesserung an unserer Gangwayplattform widme, verbringen Annika und Tatjana den Nachmittag am Strand bevor wir abends an Bord kochen.

Am Sonntag Morgen lege ich einhand ab und laufe die Tankstelle der Marina an. Tatjana und Annika sind zu Fuss aufgebrochen um mir dort die Leinen abzunehmen. Endlich tanken wir wieder einmal voll! Eine Situation wie vor wenigen Wochen, als wir im Otranto Kanal gegen 25 Knoten anmotort sind und die Dieselvoräte langsam zu Neige gingen, soll sich möglichst nicht wiederholen. Während sich Tatjana mittags zum Obststand aufmacht, puzzle ich mit Annika an Bord.

Nachmittags machen wir einen Familienausflug zu Strand bevor wir zum Abendessen den Heckkorbgrill wieder in Betrieb nehmen.

Etappe 2022 – 7: San Foca – Brindisi 32.4 sm – dichter Nebel zum Ende des Pfingsttörns

Der Luxus des Tages besteht im Aufwachen ohne Wecker. So viel Luxus muss am letzten Törntag sein. Zumal die Strecke heute mit um die 30 Meilen für unsere aktuellen Verhältnisse recht kurz ist. Als wir dennoch viel zu früh aufwachen, ist es immer noch neblig. Wir tingeln mit dem Kanister zur Bootstankstelle, die in einem für uns zu flachen Bereich des Hafens liegt und bunkern 20 Liter Diesel. Wir wollen heute auf Nummer sicher gehen, denn auch heute ist Wind von vorn angesagt. Beim Schnack an der Tanke meint ein anderer Kunde, der Nebel sollte sich in 1-2 Stunden verziehen. Nun gut, dann warten wir ab.

Wir warten und warten, nichts! Die Sonne kommt, dennoch kann man von unserem Liegeplatz aus kaum die Hafeneinfahrt ausmachen. Gegen elf Uhr fassen wir uns ein Herz und legen trotz Nebel ab.

Wie schon bei unserer Nachtfahrt nach Roccella Ionica bin ich froh, dass ich unser defektes Radardisplay durch ein bei eBay ergattertes Ersatzteil ersetzt hatte. Wir sehen Fischerboote und Tonnen bei Sichtweiten von teilweise nur rund 30m ausschließlich auf dem Radarbildschirm. Irgendwie gruselig.

Irgendwann verschwindet der Nebel doch und der uns entgegen kommende Wind frischt auf. Wieder nichts mit Segeln. Immerhin sind die Bedingungen deutlich moderater als gestern.

Wir gondeln die Küste hoch und schlängeln uns am Verkehrstrennungsgebiet vor Brindisi vorbei. Dabei beobachten wir ein anderes Boot auf dem AIS, welches die dort geltenden Regeln etwas flexibler interpretiert 😅

Nachdem wir bei frischem Wind angelegt haben, liegen wir geschützt aber durch die unmittelbare Nähe zum Flughafen recht laut in der Marina di Brindisi. Wir haben bis zu unserer Anreise nun 2 Tage Zeit das Boot klar zu machen, das bis zu unserem Sommerurlaub Mitte Juli hier auf uns warten soll.

An Tag 1 motten wir Bimini, Sprayhood und Solarzellen ein und waschen unsere Wäsche. An Tag 2 geht es früh morgens in den Mast um unsere elektronische Windfahne zu demontieren. Sie hatte den ganzen Urlaub über nicht funktioniert. Saharastaub der im Winterlager in Marina di Ragusa regelmässig herüber wehte, hatte sich im Drehmechanismus abgelagert und diesen blockiert. Die Windstärke wurde uns zwar noch angezeigt, die Windrichtung jedoch nicht. Nach einer gründlichen Reinigung und Behandlung mit Silikonöl dreht sich der Richtungsanzeiger wieder und sollte (nach einer Kalibrierung auf See) die Richtung nun wieder anzeigen. Getestet wird das dann aber erst im Sommerurlaub im Juli.

Ausserdem machen wir an Hafentag 2 einen Ausflug in die Stadt. Praktischerweise hält der entsprechende Linienbus direkt vor der Marina.

Etappe 2022 – 6: Gallipoli – San Foca 64 sm – Um die Ferse in die Adria und gleich bei 6 bft gegenan

Um kurz nach fünf schrecke ich auf: Oh Gott, es ist hell! Ich habe verschlafen, wir wollten doch früh los! Kurze Zeit später die Entwarnung, der Wecker klingelt. Noch schlaftrunken torkeln wir durchs Schiff und sind uns sicher: Überführungscrew wäre kein Job für uns. Mit Urlaub hat dieser Törn definitv nichts zu tun. Aber es hilft nichts, wir wollen heute um die Ferse in die Adria. 

Leider kämpfen wir uns auch heute wieder durch die Flaute. Wenigstens passieren wir nach etwa einer Stunde endlich einen „Punta del Pizza“. 🤣. Es geht weiter vorbei an Santa Maria di Leuca und in die Adria. Der „Rückweg“ ist offiziell gestartet. Nun kommt auch Wind auf. Wir versuchen zweimal die Segel etwas zur Hilfe zu nehmen, aber es klappt nicht, der Wind kommt zu sehr von vorn. Kreuzen? Wieder mal wegen der Etappenlänge keine Option

Auf dem Weg zu unserem Tagesziel in San Foca spielen wir mit Annika im Cockpit stundenlang „Ich sehe was, was Du nicht siehst“. Alles ganz lustig und entspannt. Bis wir unseren Kurs nach Nordwest einschlagen: Aus dem Kanal von Otranto blasen uns urplötzlich statt der angesagten drei Beaufort deren sechs entgegen und die Welle ist kurz und unangenehm. Diese Erfahrung hätten wir gegen Ende unseres Trips nun wirklich nicht mehr gebraucht. Wir versuchen dichter unter Land zu fahren. Es hilft nichts. Wir kommen kaum mehr vorran. Stellenweise machen wir unter 3 Knoten. Wir erhöhen die Motordrehzahl und ärgern uns: Am Vorabend hatten wir uns entschlossen nicht zu tanken, damit „der Diesel auch mal verbraucht wird“. Jetzt ist uns schon ein bisschen mulmig mit nur einem viertel Tank bei diesen Bedingungen. Nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt haben, tagt der Familienrat: Sch… auf unsere Reservierung in San Foca, wir laufen Otranto an und ersparen uns so zwei zusätzliche Stunden Höllenritt. Doch auch nach Otranto sind es noch 2,5 Stunden. Da müssen wir jetzt durch!

Durch ziemlich viel Müll motoren wir weiter. Immer wieder gilt ein banger Blick des Skippers der Tankanzeige: 1/4 voll, aber wie genau ist das? Hinter uns liegt kein Hafen in vernünftiger Reichweite. Warum haben wir bloss in Gallipoli nicht getankt? Irgendwann verfängt sich eine Art Bambusstab am Heck des Bootes. Haben wir ein Fischerfähnchen überfahren oder ist das einfach nur Treibgut? Jedenfalls kann bei diesen Bedingungen sicher niemand auf der Badeplattform versuchen das Teil zu entfernen.

Als wir kurz vor der Hafeneinfahrt die Fender ausbringen löst sich das Problem zum Glück von selbst…

Als wir ums Kap sind beruhigen sich die Bedingungen etwas. Da Tatjana in Otranto niemanden erreicht, beschließen wir doch weiter nach San Foca zu fahren. Die 2 Stunden schaffen wir noch. Ausserdem hätten wir jetzt mit Otranto einen Hafen als Backup im Rücken und unsere letzte Etappe morgen würde 10 Meilen kürzer ausfallen.

Der Hafen von San Foca ist flach, aber durch einen Wellenbrecher erstaunlich gut gegen nördliche Winde geschützt. Nach dem problemlosen Anleger würden wir hier in Abrahams Schoß nie vermuten was „da draußen“ los ist.

Nachdem wir sichergestellt haben, dass wir vor unserer Abfahrt morgen 20l Diesel im Kanister bekommen, gibt es einmal mehr Pasta an Bord. Zum Abschluss des Urlaubs wird in Brindisi bereits von Restaurantbesuchen und Erdbeereis (Annika) geträumt…

Kurz nach dem Abendessen zieht tatsächlich dichter Nebel auf und wir sind froh: Es hätte auch noch schlimmer kommen können 😉

Etappe 2022 – 5: Crotone – Gallipoli 73.9 sm – Ciao Calabria, benvenuti in Puglia

5:05 Crotone abgelegt. Unser erster Logbucheintrag des Tages klingt so gar nicht nach Urlaub. Irgendwie fühlt sich unser Pfingsttörn auch eher wie eine bezahlte Überführung an (zumindest stelle ich es mir das so vor). Wir passieren in der Morgendämmerung die unbeleuchtete Gasplattform Luna A und setzen kurze Zeit später motiviert das Grosssegel. Doch wieder herrschen nur leichte Winde von vorn. Dann wird das Segel eben nur gelüftet 😜

Wir motoren die nächsten Stunden durch den Golf von Taranto und sind uns sicher, dass unsere Etappen im Sommerurlaub in der Adria wieder deutlich kürzer werden sollen. Knapp hinter uns teilen zwei weitere Segler uns Schicksal: Freyr (227390510) und Tocade (228089130) sind heute unsere Flauten-Leidensgenossen.

Etwa ab halber Strecke lohnt sich unser Durchhaltevermögen und wir können tatsächlich segeln (und auch gleich unsere Reffleinen testen). Leider ist die Tagesetappe zu lang, als dass wir den Motor komplett ausschalten könnten. Er schiebt mit.

Nachmittags haben wir dann doch ein sehr mulmiges Gefühl, als wir auf Kanal 16 Bruchstücke des Funkverkehrs zu einem Seenotfall mitbekommen, in den wohl ein Boot verwickelt ist, das noch in Roccella Ionica am selben Steg lag wie wir.

Wir backen zur Ablenkung zum Mittagessen erneut ein Brot und vermuten, dass die Trockenhefe die Hitze im letzten Sommer eventuell doch nicht ganz unbeschadet überstanden hat. Egal, motoren macht fast so hungrig wie segeln 😜

Da der Gästepontoon im eigentlich angepeilten Etappenziel Santa Maria di Leuca aktuell wegen Bauarbeiten gesperrt ist, halten wir Kurs auf das etwas weiter nördlich liegende Gallipoli. Wir sind nun in der Region Apulien angekommen. Die Adria und somit unser „Rückweg“ ist zum Greifen nah. Nur noch einmal um die Ferse…

Wir sind ziemlich kaputt, wir verlassen den Schwimmsteg an dem wir angelegt haben nicht. Es gibt keim Bild vom Boot, nur ein schnelles Nudelgericht und ab ins Bett. Wir sind uns einig: So machen wir das nicht mehr. Natürlich kann man im Eiltempo um dem Stiefel segeln (bzw. motoren), von Land und Leuten bekommt man dann allerdings nichts mit.

Etappe 2022 – 4: Roccella Ionica – Crotone 63.9 sm

Wieder brechen wir früh auf (5:30 Uhr). Erholungsurlaub sieht irgendwie anders aus. Aber es hilft nichts: Der Weg in die Adria ist lang. Die Tagesetappen aufgrund der grossen Distanzen zwischen geeigneten Häfen ebenso. Als wir Roccella Ionica verlassen, steht ein hoher Schwell vor dem Hafen. Vorhergesagte mögliche Gewitter und bedrohlich dunkle Wolken an Backbord sorgen bei einigen Crewmitgliedern für Unbehagen. Bei anderen zumindest für Anspannung.

Als wir nach etwa zwei Stunden Punta Stilo querab haben, fängt es an zu tröpfeln. Die Welle ist unangenehm. Hoher Schwell vom Vortag kommt im Vergleich zum wenigen Wind genau aus der entgegengesetzten Richtung. Nach einiger Zeit können wir die Genua zur Hilfe nehmen und motorsegeln über den Golfo di Sqillace. Segeln ohne Motorunterstützung ist aufgrund der Etappenlänge und der Tatsache, dass zumindest Annika abends wenigstens noch einen kurzen Landausflug/Abendspaziergang braucht nicht drin. Als wir Capo Rizzuto runden sehen wir die vielen Windkraftanlagen, die in diese windreichen Topographie (direkt hinter der Küstenlinie türmen sich Berge auf) umweltfreundlich für Strom sorgen.

Wir passieren das vorgelagerte Naturschutzgebiet, dessen Begrenzungstonnen nicht alle an den erwarteten Positionen liegen und steuern unseren Zielhafen Crotone an, der in einer Bucht mit vier Gasplattformen liegt. Wie romantisch 😉. Trotz ordentlich Wind klappt der Anleger wie am Schnürchen und wir liegen kurze Zeit später am Schwimmsteg des örtlichen Yachtclubs.

Da man am späten Sonntagnachmittag wohl keine Lust auf Papierkram hat, bittet man uns, die Anmeldeformalitäten erst morgen zu erledigen. Auch gut! So kommt Annika nach dem Aperitif zu Ihrem Spaziergang zum Molenfeuer. Am Hafentag erkunden wir das wenig touristische Örtchen und finden beim örtlichen Metzger erneut Salsicca zum abendlichen Grillen an Bord. Ausserdem stattet uns die Guardia Finanza einen Besuch an Bord ab und kontrolliert unsere Papiere.

Etappe 2022 – 3: Marzamemi – Roccella Ionica 120 sm – Die erste Nachtfahrt als Familiencrew (und viele weitere Premieren)

Nach einem ruhigen Morgen wird es nach etwa 20 Seemeilen, als wir beginnen die Zufahrt zur Straße von Messina zu queren etwas lebhafter: Wir müssen zwei großen Frachtschiffen ausweichen. Auch am Funkverkehr merkt man, was für eine verkehrsreiche Meerenge hier querab liegt. Wir lassen den aufgrund des diesigen Wetters nur unscharf zu erkennenden Ätna an Backboard liegen und motorsegeln mit etwa 6 Knoten dem italienischen Festland entgegen. Läuft bisher eigentlich alles wie am Schnürchen. Wenn es weiter so flutscht, sollten wir unser Etappenziel Roccella Ionica in den frühen Morgenstunden erreichen. Noch unklar ist uns indes, wie wir uns nach der geplanten ersten Nachtfahrt mit Kind dann wieder bestmöglich erholen…

Nach dem Abendessen kommt bei Einbruch der Dunkelheit kurz ein Delfin vorbei und jagt uns einen gehörigen Schrecken ein. Im Halbdunkeln halten wir ihn im ersten Moment für einen Wal 😉 Wir rollen die Genua weg. Zum Einen ist der Wind eingeschlafen, zum Anderen herrscht noch immer reger Verkehr und wir wollen uns voll und ganz auf den Ausguck konzentrieren. Vor den vielen Lichtern der bebauten Festlandküste fällt es uns schwer, die Navigationslichter der per AIS und dem erstmals ernsthaft verwendeten Radar sichtbaren Schiffe auszumachen. Ein extrem anstrengender Beginn der Nacht. Zum Glück wird es, als wir die Hauptschifffahrtslinie gequert haben, nach etwa zwei Stunden etwas ruhiger.

Annika spürt wohl insgeheim die Anspannung Ihrer Eltern und wacht bereits kurz nach Mitternacht auf. Sie will partout nicht mehr schlafen und so ist ab sofort meist einer von uns mit der Kinderbetreuung beschäftigt. Unsere Müdigkeit wird größer und größer und wir beide sehnen die Morgendämmerung herbei als plötzlich ein Boot in einem Affenzahn auf uns zu rast. Piraren? Hier??? Nur einen Augenblick später wird zunächst unsere Gastlandflagge an- und anschließend unsere Gesichter mit einem Suchscheinwerfer ausgeleuchtet. Die Guardia Finanza möchte wissen wo wir hin wollen und wieviele Personen an Bord sind. Die Dunkeladaption unserer Augen ist dahin und wir fragen uns, warum man diese Fragen einem Boot, das ein AIS Signal aussendet nicht per Funk stellt und es stattdessen derart zu erschreckt 🙄🤪…

Gegen viertel nach fünf wird es endlich etwas heller und wir werfen etwa 1 Meile vor unserem Zielhafen den Anker. Noch eine Premiere! Vor Anker habe ich mich mit Zanzibar noch nie schlafen gelegt. Nach dem ersten Kaffee und einer Runde Schwimmen vom Boot aus für Tatjana, legen wir gegen halb elf nach 120 Seemeilen an einem Fingersteg im Porto delle Grazie in Roccella Ionica an: Was für ein Abenteuer!

An unserem Hafentag laufen wir in den etwa drei Kilometer entfernten Ort um Annikas Bewegungsdrang auf einem Spielplatz zu befriedigen und decken uns beim örtlichen Metzger mit Salsicca ein, die abends auf den Heckkorbgrill wandern.

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